Lassen im großen Jahresabschluss-Interview die bisherige Saison Revue passieren: Eintracht-Sportdirektor Michael Stock (rechts) und Trainer Stefan Neff.

"In der 2. Bundesliga ist der Spielraum für Fehler winzig"

Während für die Profis des Zweitliga-Teams am Donnerstag bereits Urlaub angesagt war, gaben Eintracht-Sportdirektor Michael Stock und Trainer Stefan Neff in der Krollmann-Arena noch einmal Vollgas. Ein letztes Projekt - dazu in Kürze mehr - galt es zu finalisieren, zudem stellten sich die führenden Köpfe der 1. Mannschaft dem traditionellen Jahresabschluss-Interview, dessen zweiter Teil am morgigen Silvestertag folgt.

Michael Stock, Stefan Neff, die Eintracht geht mit dem Minimalvorsprung von einem Zähler - bei einem weniger absolvierten Spiel - auf den ersten Abstiegsplatz in die Winter-/WM-Pause. Wie groß ist die Enttäuschung über das bisherige Abschneiden und wo sind die Gründe dafür zu suchen?
Michael Stock: "Natürlich spricht die Tabelle eine klare Sprache. Wir sind weder mit den erreichten Punkten noch mit dem Tabellenplatz zufrieden. Wir haben uns mehr von der Saison versprochen, man muss aber - auch wenn es langsam ermüdend ist - feststellen, dass wir ständig experimentieren müssen. Wir müssen immer wieder neue Formationen aufs Feld stellen, haben ja teilweise ganze Positionen nicht zur Verfügung. Wo sollen da die Stabilität, die Ruhe, die richtigen Entscheidungen in kritischen Phasen herkommen? Wir wissen alle, in der 2. Bundesliga ist der Spielraum für Fehler winzig. Trotz der Situation ziehe ich aber den Hut auch vor dem Trainerteam, das es immer wieder schafft, eine Mannschaft aufs Feld zu stellen, die nicht nur konkurrenzfähig ist, sondern meistens auch die Möglichkeit hat, zu gewinnen. Unterm Strich fehlen dann aber oftmals die Körner, die nötig sind, um die Punkte einzusacken."
Stefan Neff: "Dem kann ich mich nur anschließen. Wir sind nicht zufrieden mit der Ausbeute. Ich möchte in der Betrachtung die Hinrunde allerdings quasi teilen. An den ersten acht Spieltagen haben wir tatsächlich keinen guten Handball gezeigt. Selbst beim ersten Sieg in Konstanz war das keine gute Leistung. Ab November haben wir dann einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht, obwohl die Situation prekärer war als jemals zuvor. Wir haben es gerade im Tempospiel geschafft, eine deutliche Steigerung herbeizuführen, was uns dann auch Punkte gebracht hat. Die Ausbeute ab November mit 10:8 Punkten parallel zur personell schwierigen Situation ist eigentlich absolut im grünen Bereich. Mich als Trainer freut, dass man gerade in den schwierigen Situationen merkt, dass die Mannschaft intakt ist. Ansonsten gewinnst Du nicht in Lübeck, Du gewinnst auch nicht in Würzburg nach einem 10-Tore-Rückstand. Im Endeffekt ist es so: Wir stehen vor den Abstiegsplätzen, haben noch ein Spiel weniger und haben alles selber in der Hand." 

Bereits am 5. Januar steigt die Mannschaft wieder in die Vorbereitung ein, die Konkurrenz lässt sich zum Teil deutlich mehr Zeit. Warum der "Frühstart" und welche Defizite müssen konkret aufgearbeitet werden?
Stefan Neff: "Wir haben einen punktuellen Rückstand und einen tabellarischen Rückstand. Den gilt es aufzuholen. Aufholen tut man, indem man mehr arbeitet als die Konkurrenz. Wir haben Nachholbedarf, das gehen wir an, fangen früh an und blasen zur Attacke. Defizite sehe ich vor allem in der Stabilität der Abwehr. Eine gute Abwehr ist immer die Basis für ein erfolgreiches Spiel. Nehmen wir zum Beispiel das Hüttenberg-Spiel: Wir machen auswärts 32 Tore, kassieren aber 34. Das darf uns einfach nicht passieren. Gerade in Kombination mit dem schon verbesserten Gegenstoßspiel soll es noch mehr greifen, dass wir stabiler verteidigen und auch unsere Torhüter noch mehr in die Saison reinbekommen. Das ist viel Arbeit, auch im konditionellen Bereich. In unserer jetzigen Situation sehe ich keinen Grund, dass wir uns große Pausen gönnen können. Nach den ersten acht Spieltagen haben wir gesagt, dass uns ein Marathon bevorsteht, um uns dort unten rauszuarbeiten. Dazu gehört auch, jetzt wieder zeitig anzufangen. Wir müssen den Mittelteil dieses Marathons gut laufen, um am Ende erfolgreich ins Ziel zu kommen."
Michael Stock: "Ich sehe überhaupt keine Alternative zu unserem Zeitplan. Wir gehen schon wieder in eine Vorbereitung mit dem Wissen, dass uns mit Pouya Norouzi durch die Weltmeisterschaft ein Schlüsselspieler nicht zur Verfügung steht und dass mit Philipp Vorlicek der nächste Schlüsselspieler verletzungsbedingt ausfällt. Das heißt, Du musst der Mannschaft zum 5. Februar schon wieder ein neues Gesicht geben. Da ist jede Trainingseinheit wichtig."  

Ein letzter Blick zurück: Könnte die überragende Platzierung der vergangenen Saison zusammen mit den personellen Verstärkungen auch eine psychologische Komponente in der Erwartungshaltung gefördert haben? Frei nach dem Motto: Es geht automatisch immer aufwärts?
Michael Stock: "Dazu habe ich eine klare Meinung. Bei den maßgeblich handelnden Personen war das ganz sicher nicht der Fall. Wir haben uns natürlich im Team etwas dabei gedacht, den Kader genauso zusammenzustellen und sind der Meinung, dass das Puzzle so passt. Ich finde, dass wir in diesem Jahr eine extrem starke Liga vorfinden, eine Menge Mannschaften haben einen Schritt nach vorne gemacht. Diesen Schritt haben wir - zumindest in diesem Jahr - bisher noch nicht so vollzogen, wie wir uns das vorgestellt haben. Das liegt an vielen, vielen Kleinigkeiten - unter anderem natürlich auch daran, wie sich unsere personelle Situation von Spieltag zu Spieltag darstellt. Ich sage auch ganz klar: Wir müssen das so annehmen. Es hilft nichts, wenn wir uns Woche für Woche hinstellen und beklagen, wer schon wieder ausfällt. Das ist nunmal so. Wir müssen hart arbeiten. Punkt."
Stefan Neff: "Keiner unterschätzt die 2. Handball-Bundesliga. Wir wussten, wie hart es schon letztes Jahr war, um das zu erreichen, was wir letztlich erreicht haben. Wir wussten auch, dass da viele Dinge sehr gut zusammen gelaufen sind. Jetzt laufen eben einige Sachen nicht 100-prozentig zusammen. Ich finde aber trotzdem, dass wir uns in einer für die Entwicklung der Mannschaft ganz entscheidenden Phase befinden. Aus dieser Lage müssen wir uns mit allen positiven Tugenden herauskämpfen. Das zu schaffen, kann uns für die Zukunft ganz viel geben. Das alles geht nicht über Jammern oder Rumheulen, sondern über viel harte Arbeit. Die steht jetzt bevor." 
Michael Stock: "Man darf auch eines nicht vergessen: Es gibt immer externe Erwartungen, aber auch Erwartungen, die die Mannschaft und wir als Club intern aneinander haben. Wir alle sind total unzufrieden, wie es abgelaufen ist. Jeder einzelne ist nicht zufrieden. Keiner sagt: Das wird schon irgendwie... Jeder ist bereit, anzupacken und seinen Teil dazu beizutragen, dass wir jetzt einen Schritt nach vorne kommen - den wir zwingend machen müssen. Gleichwohl wünsche ich mir auch faire Beurteilungen von außen. Nehmen wir mal das Würzburg-Spiel: Da schreibt jemand in der Pause, wie sch... wir sind. Und nach dem Schlusspfiff hört man nichts mehr." 

Ihr habt es angesprochen: Die Verletztensituation war außergewöhnlich in der bisherigen Hinrunde. Mit der Rückkehr welcher Spieler rechnet ihr zur Saisonfortsetzung im Februar?
Stefan Neff: "Wir hoffen auf die Rückkehr von Luca Klein, Damian Toromanovic, Alexander Becker, Tobias Mahncke und Mats Grzesinski. Da sieht es überall gut aus. Freddy Stüber hat ja sein Comeback schon gegen Balingen geben können. Bei Philipp Vorlicek müssen wir abwarten, was die Untersuchungen des Knies Anfang des Jahres ergeben, Daniel Mestrum fällt weiter aus."


Teil 2 des Interviews folgt am Silvestertag