Im Anflug zu einem seiner insgesamt acht Treffer in der Anhalt-Arena: Jan von Boenigk.

Eintracht feiert das "Comeback des Jahres" nach der Pause

Was für ein Comeback! Die Eintracht wandelt am Mittwochabend beim bisherigen Tabellenachten Dessau-Roßlauer HV 06 einen 12:16-Pausenrückstand in einen 28:25-Sieg um. Maurice Paske ist der "Emotional Leader" der zweiten 30 Minuten, doch das Lob gebührt der gesamten Mannschaft, an der die aufgeheizte Atmosphäre in der Anhalt-Arena abgleitet wie an einer Teflon-Pfanne aus dem Hochpreissegment.


Startaufstellung Eintracht: Pascal Bochmann (TW) - Benedikt Israel (LA), Pouya Norouzi (RL), Niclas Pieczkowski (RM), Jan von Boenigk (RR), Pierre Busch (RA), Tilman Pröhl (KS)


Keine Überraschungen im Kader der Eintracht: Luca Richter wieder dabei, dazu Niklas Pfalzer aus der U23 und nur zwei Torhüter statt zuletzt drei. Das war alles angekündigt. Angekündigt hatte Eintracht-Trainer Pavel Prokopec auch eine kompakte DRHV-Abwehr - und die stellten die Gastgeber in der Tat. Viereinhalb Minuten dauerte es, ehe Pouya Norouzi, der an diesem Abend mächtig einstecken musste, erstmalig traf. Zwei frühe Zeitstrafen kassierte die Eintracht zudem und geriet bald mit 1:5 (8.) ins Hintertreffen.

Und es blieb hakelig aus Hagener Sicht. Nur ein 1:1 aus der ersten Überzahl, ein verworfener Siebenmeter von Pierre Busch. Immerhin knabberte die Eintracht einen Krümel ab vom Rückstand, war nach Tilman Pröhls Treffer zum 5:6 (14.) wieder im Match. Gleichwohl fanden die Eintracht-Angreifer häufig ihren Meister in DRHV-Keeper Philip Ambrosius - es war eine starke, die erste Halbzeit prägende Leistung des Mannes mit der Rückennummer 16.

5:9 hieß es so nach 16 Minuten aus Hagener Sicht. Erste Auszeit Pavel Prokopec, der viel Gesprächsbedarf hatte, vor allem aber mehr Konzentration auf den eigenen Matchplan, denn auf die durchwachsene Leistung der Unparteiischen Moritz Hartmann und Nils Hennekes anmahnte.

Nach noch nicht einmal 23 Minuten war die Partie für Hagens Winterneuzugang Joshua Thiele nach der dritten Zeitstrafe beendet. Dessau finalisierte direkt den ersten Angriff nach dieser Hinausstellung mit einem Außen-zu-Außen-Kempa (13:8). Merke: Das Momentum gehörte eindeutig den Gastgebern, die eine 16:12-Führung mit in die Pause nahmen.

Ein Ergebnis entgegengesetzt zu den meisten Tipps beim gut besuchten Krombacher Fan-Talk der Eintracht bei „Humpert am Höing“. Woran liegt's? Was muss besser werden? - Das waren die am meisten diskutierten Fragen in der großen grün-gelben Runde, die einen unterhaltsamen Abend verlebte, der freilich noch viel unterhaltsamer werden sollte. Und das kam so:

Drei Paraden von Maurice Paske, ein gänzlich folgenlos über den Haufen gerannter Niclas Pieczkowski, aber auch glatt Rot gegen Dessaus Spielmacher Vincent Bülow nach Griff in den Wurfarm von Pouya Norouzi (36.) kennzeichneten den Start in Halbzeit zwei.

Es war nun endgültig ein extrem intensives, oft zerfahrenes Spiel, mit Entscheidungen der Unparteiischen, die - nicht immer zu Unrecht und nicht nur beim Krombacher-Fantalk - für Diskussionen sorgten.

Positiv aus Hagener Sicht: Trotz der vielen (auch selbstverschuldeten) Widrigkeiten und trotz der längst ins Unappetitliche abgeglittenen Schmähgesänge von den Rängen steckte die Eintracht nicht auf, kam aber zunächst nicht näher als bis auf drei Treffer heran. 

Max Öhlers humorloser Schlagwurf zum 20:22 leitete dann aber eine Schlussviertelstunde ein, die geprägt war von noch mehr Hagener Willenskraft. Nach Pascal Bochmanns Siebenmeterparade gegen Yannick Danneberg ließ die Eintracht die erste Möglichkeit zum 21:22 noch etwas überhastet liegen. Die zweite nutzte Max Öhler vom Siebenmeterpunkt (48.). Und mehr noch: Die Dessauer Fehlerkurve stieg nun steil nach oben, die Eintracht glich per Kempa (Josip Jukic auf Jan von Boenigk) aus. Das 22:22 (49.) war der erste Hagener Ausgleich der Partie überhaupt.

Und immer weiter: Die nächste Paske-Parade bereitete den Boden für André Alves' Gegenstoß zum 23:22 (51.). Und Paske. Immer wieder Paske. Nach einem weiteren Gegenstoß von Alves zum 24:22 - Dessau wirkte ohne Vincent Bülow offensiv inzwischen völlig kopflos - zog Uwe Jungandreas die dritte und letzte DRHV-Auszeit. 

Fynn Gonschor beendete die zehnminütige Dessauer Torflaute gleich anschließend mit dem Treffer zum 24:23. Crunchtime. Acht Minuten noch. Technischer Fehler Hagen in Überzahl. Berechtigte Zeitstrafe Norouzi im Gegenzug. 24:24. Ambrosius gefangener Alves-Heber. Empty-Net-Versuch an den Pfosten. Allein diese kurze Zeitspanne belegte, wie bisweilen vogelwild es an diesem Abend in der Anhalt-Arena zuging.

Und es war noch immer nicht Schluss: Öhler per Siebenmeter zum 27:25. Die Eintracht in Überzahl. Drei Minuten noch. Und als dann der „Emotional Leader“ dieser zweiten Halbzeit, Maurice Paske, zum zehnten Mal parierte und Niclas Pieczkowski zum 28:25 einnetzte, da war klar, dass die Eintracht einen echten Kraftakt erfolgreich abschließen würde. Das Pfeifkonzert von den Rängen nach der Schlusssirene, es klang da fast schon wie eine süße Melodie…


DRHV: Ambrosius (11 Paraden/28 Prozent), Mohs (n.e.) - Gonschor (4), Haake, Bülow (3/3), Powarzynski (2), Nowak (6), Baumgart, Emanuel, Danneberg (4/2), Hertzfeld (1), Pust (5), Leu
Eintracht: Bochmann (2/17), Paske (11/42) - Öhler (5/3), Norouzi (3), Pröhl (1), Alves (4), Pieczkowski (3), Israel, Gaubatz, Granlund (1), Pfalzer, Thiele, Jukic (2), Richter (1), Busch, von Boenigk (8)
Schiedsrichter: Moritz Hartmann/Nils Hennekes (Dortmund/Gütersloh)
Zeitstrafen: DRHV 7 plus Rote Karte gegen Bülow wegen groben Foulspiels (36.), Eintracht 6 plus Rote Karte gegen Thiele nach der dritten Zeitstrafe (23.)
Siebenmeter: DRHV 5/6 (verworfen: Danneberg), Eintracht 3/4 (verworfen: Busch)
Zuschauer: 1.346


Jan von Boenigk (bester Eintracht-Torschütze): „Ein wahnsinnig intensives Spiel, das ist der Abstiegskampf in dieser Saison, von dem gefühlt dreiviertel der Teams in der Liga betroffen sind. In der ersten Halbzeit waren wir nicht richtig auf dem Feld. Die 16 Tore, die Dessau wirft, waren vor allem aus dem Tempospiel. Das tut immer besonders weh. In der zweiten Halbzeit haben wir uns gefangen und hatten die Paraden, die wir brauchen. Die zweite Halbzeit mit sieben Toren zu gewinnen, ist eine wahnsinnige Energieleistung. Ich bin mega-stolz, dass wir das Ding hier heute geholt haben!“


Pressekonferenz mit Uwe Jungandreas (DRHV) und Pavel Prokopec (Eintracht).