Der Übergang vom Jugend- zum Seniorenspieler - wie war das eigentlich damals?

Von Ralf Wilke

Der Übergang vom Nachwuchsspieler in den Seniorenbereich gestaltete sich in früheren Jahrzehnten deutlich anders als heutzutage üblich. Während aktuell die Jugendlichen schon früh an die Seniorenabteilung herangeführt werden, bestand seinerzeit eine strikte Trennung bis zur Erlangung der Spielberechtigung für die Senioren.

Wenn ich von "damals" spreche, ist exemplarisch das Spieljahr 1957/58 gemeint. Mein Freund Horst Gräber und ich wurden nach einer überaus erfolgreichen Jugendzeit direkt in den Kader der 1. Mannschaft berufen. Dieses Feldhandball-Team war eines der erfolgreichsten in Westfalen, ja in ganz Westdeutschland. Es bestand zum Teil aus Spielern, die wir in jungen Jahren regelrecht angehimmelt hatten. Entsprechend groß war der Stolz, jetzt dazuzugehören.

Zurückhaltend, gar demütig versuchten wir, uns in das bestehende Gefüge einzuordnen. Es herrschte eine strikte Hierarchie, der auch wir uns unterordnen mussten. Spielführer dieser Mannschaft war Werner Moeller, einer der besten und torgefährlichsten Mittelstürmer der Liga. Werner Moeller galt uns als Respektperson ersten Ranges, der penibel darauf achtete, dass der Verhaltenskodex eingehalten wurde. Moeller wohnte in unmittelbarer Nachbarschaft meines Freundes Horst Gräber. Horst hatte zur Aufbesserung seines Taschengeldes schon seit Jahren für eine Mark die Fußballschuhe Moellers geputzt - nun spielten sie in einer Mannschaft...

Wir hatten im Saisonverlauf schon mehrere Meisterschaftsspiele bestritten, Werner Moeller wurde von uns aber immer noch ehrfürchtig mit "Sie" angesprochen. Das änderte sich erst nach einem gewonnenen Heimspiel an der Theke von "Holtey's Katz", als er uns mit einem Glas Bier in der Hand das "Du" anbot. Dennoch standen wir weiterhin - vor allem, was die Spielkleidung betraf - unter strengster Beobachtung des Kapitäns.

Auch im Winter wurde bei Eiseskälte gespielt. Die Mutter meines Freundes Horst hatte ihm einen grün-weißen Ringelpulli gestrickt, der ihn - unter dem Trikot getragen - ein wenig vor der Kälte schützen sollte. Als unser Spielführer während der Aufwärmphase dieses Kleidungsstück erspähte, ging er mit den Worten "...wir sind keine Weicheier..." auf ihn zu. Der Pulli musste an Ort und Stelle ausgezogen werden. Auch achtete Werner Moeller darauf, dass alle frisch geputzte Schuhe mit gewaschenen, weißen Schnürsenkeln trugen. Ich hatte mir weiße "Enkelschoner" gekauft und trug sie über meinen grünen Stutzen - weil mir das so gut gefiel. Auch hier folgte rasch die Replik: "Zieh sofort diese Dinger unter die Stutzen. Wir sind hier nicht auf der Pferderennbahn."

Noch im selben Jahr hatten wir uns zur Rückrunde derart weiterentwickelt, dass wir aus der Mannschaft nicht mehr wegzudenken waren. Wir wurden schließlich 1958 und 1959 Westfalenmeister, 1960 Vizemeister und spielten 1961 um die Deutsche Meisterschaft. Von verschiedenen Aufgaben innerhalb der Mannschaft, zum Beispiel dem Wasserkisten tragen, entbanden uns diese Erfolge natürlich nicht. In der höchsten deutschen Spielklasse, der Oberliga, trainierten wir dreimal wöchentlich. Für ein Heimspiel gab es drei Mark, für ein Auswärtsspiel fünf Mark Spesen. Dafür waren wir an einem Sonntag häufig den ganzen Tag über unterwegs. 

Für uns junge Spieler war diese Zeit ein Traumstart mit der 1. Mannschaft des TV Eintracht Hagen. Und die Erkenntnis, dass Disziplin zum Mannschaftssport untrennbar dazu gehört, hat uns für immer geprägt.

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Bild:

Ralf Wilke (links) und Horst Gräber mit 18 Jahren auf dem Gelände des Rehplatzes.