Nicht nur einmal brachten Tilman Pröhl und Kollegen die Rhein-Neckar Löwen am Mittwochabend ins Wackeln, am Ende setzte sich der Erstligist aber knapp in der 2. Runde des DHB-Pokals durch.

DHB-Pokal: Die Eintracht zeigt ihr zweites Gesicht

Das war das zweite Gesicht des VfL Eintracht Hagen. Fünf Tage nach dem blutleeren Auftritt im Liga-Betrieb bei TuSEM Essen haben sich die Grün-Gelben mit einer exzellenten Leistung zurückgemeldet. Vor der Rekordkulisse von 2.107 Zuschauern in der restlos ausverkauften Ischelandhalle zeigte sich die Eintracht am Mittwochabend im DHB-Pokal gegen den Tabellenzweiten der Daikin-HBL, die Rhein-Neckar Löwen, über weite Strecken ebenbürtig und unterlag erst nach großem Kampf mit 26:29 (14:15). Die Fans - sie waren begeistert. Zu Recht.


Startaufstellung Eintracht: Maurice Paske (TW) - Benedikt Israel (LA), Pouya Norouzi (RL), Niclas Pieczkowski (RM), Jan von Boenigk (RR), Pierre Busch (RA), Tilman Pröhl (KS)


Eine Änderung hatte Eintracht-Trainer Stefan Neff im Vergleich zum Auswärtsspiel in Essen vorgenommen. Maurice Paske begann für Pascal Bochmann im Tor.

Und: Was war das bitte für ein Start der Eintracht? - Pierre Busch vergab zunächst noch die Chance zur ersten Hagener Führung per Gegenstoß gegen den richtig starken Gäste-Keeper Mikael Appelgren, Jan von Boenigk holte Versäumtes kurz darauf nach - 2:1 (3.). Vor allem aber war es Eintracht-Torhüter Maurice Paske, der sich vom Start weg hellwach zeigte und mehrfach stark parierte. Das tat auf der Gegenseite allerdings auch Mikael Appelgren, der viel von dem weg nahm, was den Weg durch die zunächst sehr offensive 3:2:1-Abwehr der Gäste fand.

Gleichwohl: Die Eintracht spielte richtig gut mit gegen den Tabellenzweiten der 1. Bundesliga, der krankheitsbedingt auf Kreisläufer Jannik Kohlbacher verzichten musste, hatte vor allem in Person von Pouya Norouzi mehrfach Pech mit Aluminiumtreffern. Jan von Boenigk glich das aus, machte viel Alarm im rechten Rückraum. Pierre Buschs Steal zum 9:10 ließ von Boenigk gleich noch eine Kopie folgen - 10:10 (18.).

Spätestens jetzt war die Halle da. Richtig da. Und eskalierte erstmals völlig, als Pouya Norouzi Jan von Boenigk per Kempa-Zuspiel bediente - 11:10 (19.). War das wirklich dieselbe Eintracht, die am Freitag in Essen verzweifelt und vergeblich nach ihrer Form gesucht hatte?

Dass die Löwen, inzwischen mit Sebastian Heymann im linken und Juri Knorr im zentralen Rückraum, auf derlei Spielverlauf nicht wirklich Lust hatten, untermauerten sie trotz fast durchgehend erstaunlich hoher Fehlerquote immer in jenen Szenen, in denen kleinste Unkonzentriertheiten der Eintracht gnadenlos ausgenutzt wurden. Und dennoch: Die knappe 15:14-Führung des Erstligisten zur Pause, sie war aus Hagener Sicht höchst respektabel. Oder, um es mit den Worten von Eintracht-Co-Trainer Valentin Schmidt zu sagen: “Mit Abstand unsere beste Halbzeit in dieser Saison.”

Offensichtlichste Umstellung der Löwen zu Beginn von Abschnitt zwei: Der Bundesligist deckte fortan im 6:0-System. Das hatte Folgen. Die Eintracht tat sich nun deutlich schwerer, klare Chancen zu kreieren, musste für jeden halbwegs freien Wurf noch härter arbeiten als vor der Pause.

Stefan Neff reagierte mit einem frühen Team-Timeout, um nachzujustieren (36.). Das gelang sehr gut. Weil die Eintracht mit extrem viel Leidenschaft auf jeder Position verteidigte, Maurice Paske weiter gut hielt und vor allem das antizipative Bälle klauen der Grün-Gelben liebstes Hobby wurde, war bei Benedikt Israels Gegenstoßtreffer zum 20:21 (42.) wieder alles offen.

Und mehr noch: Kim Voss-Fels - natürlich per Gegenstoß nach Israels Steal - glich gar aus (22:22/44.). Wirklich jetzt? Und dann noch ein Kempa. Pouya Norouzi zum 24:23 (47.). Freunde der Sonne, sollte hier tatsächlich etwas gehen in diesem eigentlich so eindeutigen Duell “David gegen Goliath”?

Sofortige Auszeit Rhein-Neckar Löwen. Und die individuelle Klasse, das Tempo, die Fähigkeit, mit dem ersten Schritt Geschwindigkeit aufzunehmen und unter höchster Bedrängnis präzise weiterzuspielen - das waren die Faktoren, die die Partie entscheiden sollten. Gegen jeden erbitterten Hagener Widerstand. Beim 24:27 (53.) hatten sich die Löwen wieder ein wenig abgesetzt. Auszeit Hagen. Einwechslung Max Granlund. Und der finnische Nationalspieler traf in seinem ersten Pflichtspiel für die Eintracht direkt zum 25:27.

Zu mehr sollte es nicht mehr reichen. Aber das war nicht schlimm. Weil die Eintracht alles gab. Weil jeder Spieler seine Einsatzminuten bekam. Und weil die Neff-Sieben bewies, dass sie sehr wohl in der Lage ist, ihre PS auf die Straße zu bringen. 

Chronistenpflicht: Nationalspieler Juri Knorr sah in der Schlussminute glatt Rot nach einem Schubser gegen Kim Voss-Fels. Etwas Frust vielleicht, eine Aktion im Affekt. Nichts Wildes, nichts passiert und schon kurz darauf kein Thema mehr. Stattdessen wurde die Eintracht von den Fans gefeiert. Frenetisch. Nach einer Niederlage. Lautstark wie selten. Ein toller Abend. Niederlage hin oder her.


Eintracht: Paske (10 Paraden/28 Prozent), Bochmann (0/0) - Öhler (2), Norouzi (3), Pröhl (2), Alves, Pieczkowski, Voss-Fels (1), Israel (4), Gaubatz, Granlund (1), Pfalzer, Jukic (1), Richter, Busch (4/2), von Boenigk (8)
Rhein-Neckar Löwen: Appelgren (15/37), Späth (n.e.) - Martinovic (7/5), Nothdurft (3), Jacobsen (1), Knorr (5), Oskarsson, Heymann (4), Móré (1), Davidsson (1), Groetzki (3), Forsell Schefvert (2), Willner, Lindenchrone Andersen (2)
Schiedsrichter: Christian vom Dorff/Fabian vom Dorff (Kaarst)
Zeitstrafen: Eintracht 4, Rhein-Neckar Löwen 1 plus Rote Karte gegen Knorr (60.) wegen Unsportlichkeit
Siebenmeter: Eintracht 2/2, Rhein-Neckar Löwen 5/5
Zuschauer: 2.107 (ausverkauft)


Jan von Boenigk (bester Torschütze VfL Eintracht Hagen): “Eigentlich ist es so fast bitterer, als wenn Du hier heute mit zehn Toren verlierst. Wir können stolz auf die Leistung sein, aber es ist trotzdem unbefriedigend, weil heute ein Tag war, an dem die Löwen vielleicht schlagbar gewesen wären. Trotzdem gibt dieses Spiel Selbstvertrauen. Es war wichtig, eine Reaktion zu zeigen nach der Leistung in Essen, mit der niemand zufrieden sein konnte. Was heute hängenbleibt, ist die Halle. Das habe ich hier noch nie erlebt. Das war gefühlt eine andere Halle. Es ist vielleicht Wunschdenken, aber es muss unser Ziel sein, dass wir solch eine Atmosphäre öfter hinkriegen.”

Mikael Appelgren (Torhüter Rhein-Neckar-Löwen): “Wir haben viel geschwitzt, das war ein sehr unangenehmes Spiel in Hagen. Wir haben es nicht geschafft, uns abzusetzen. Hagen hat eine sehr unangenehme Abwehr gespielt und viele Bälle von uns geklaut. Das war ein Krimi, ich bin froh, dass wir weitergekommen sind. Ich glaube, unsere Leistung war eine Kombination daraus, dass wir ein bisschen müde sind vom Bundesliga-Start, und vielleicht haben wir Hagen auch ein bisschen unterschätzt. So gut sind wir auch nicht, dass wir hier hinkommen und das einfach wegspielen.”

Michael Stock (Kaderplaner VfL Eintracht Hagen): “Wir spielen eine gute erste Halbzeit, gehen eigentlich fast mit zu wenig in die Pause. Nach der Halbzeit fighten wir uns bravourös zurück nach einem 4-Tore-Rückstgan, gehen in Führung, aber dann haben die Rhein-Neckar Löwen gezeigt, dass sie eben nochmal Gas geben können. Dennoch haben wir eine Top-Leistung gebracht, haben uns teuer verkauft. Besonders gefreut hat mich der erste Pflichtspieleinsatz von Max Granlund, der mit der ersten Aktion direkt getroffen hat. Außerdem war die Stimmung überragend. Das müssen wir jetzt in das Spiel am Sonntag gegen Elbflorenz transportieren.”


Noch mehr Stimmen zum Spiel: Hier geht es zur Pressekonferenz mit Sebastian Hinze (Trainer Rhein-Neckar Löwen) und Stefan Neff (VfL Eintracht Hagen), moderiert von Dirk Müller.