Wenn er nicht für den Iroman trainiert, hütet Lou Schmidt das Tor des Bezirksliga-Teams der Eintracht.

Vom „Moppel-Torhüter“ zum angehenden Ironman – die außergewöhnliche Geschichte des Lou Schmidt

Wer Lou Schmidt heute, im Sommer 2023, trifft, dem steht ein austrainierter Handballer gegenüber. Der Torhüter des Bezirksliga-Teams der Eintracht vermittelt einen fitten Eindruck. Athletisch. Gut in Form. 80 Kilogramm Lebendgewicht bei 183 Zentimeter Körpergröße. Sportliches Idealgewicht. Das war nicht immer so. Der 24-Jährige angehende Erzieher wog vor gar nicht allzu langer Zeit noch 30 Kilogramm mehr. Doch damit nicht genug. Am 2. Juli nimmt Lou Schmidt in Frankfurt/Main am ersten Ironman-Wettbewerb seines Lebens teil. Eine Geschichte, die vieles ist. Außer gewöhnlich.

Lou Schmidt, der seit nunmehr 15 Jahren Handball spielt und seine Karriere beim TuS Volmetal in Hagen-Dahl beginnt, war nicht immer Torhüter. Aber bald. „Wie das so war: Der Dickste muss an den Kreis, der zweitdickste ins Tor. Und ich war der Zweitdickste…“ Das Thema Übergewicht begleitet Lou Schmidt durch seine Jugendzeit. Er versucht immer mal wieder abzunehmen. Nachhaltig gelingt das nicht. Wer kennt ihn nicht, den bekannten Jojo-Effekt? Was man runterhungert, ist bald wieder drauf. Häufig sogar noch mehr. „Es hat meine Jugend dominiert, dass ich ein Moppelchen war“, sagt Lou Schmidt im Rückblick.

Die echte Kehrtwende bringt die Corona-Pandemie. Im Frühjahr 2020 tritt der erste Lockdown in Kraft und trifft auch die Eintracht-Handballer mit Wucht. „Unser Trainer Christian Wojtek hat gesagt, dass wir nicht mehr in die Halle dürfen“, erinnert sich Lou Schmidt. Was bleibt da noch? – Verkürzt formuliert: Couch, Playstation, Chips und Cola oder Laufschuhe. Lou Schmidt entscheidet sich für die Laufschuhe.

Der Eintrachtler startet mit einer 3-Kilometer-Runde – und fühlt sich hinterher, „als wäre ich der erste Mensch überhaupt, der Laufschuhe ausprobiert hat.“ Doch es wird besser. Schnell besser. Die Distanzen und der Ehrgeiz wachsen. Vier Kilometer, fünf Kilometer. Dann zehn. Später ein Halbmarathon. Schließlich 30 Kilometer und am Muttertag 2021 der erste Marathon in Eigenregie (Wehringhausen – Hengsteysee-Runde – Wehringhausen – Hengsteysee-Runde – Wehringhausen in rund 3:40 Stunden).

Lou Schmidt hat längst Blut geleckt, stellt parallel seine Ernährung um. „Früher habe ich den typischen Teenager-Toast gegessen. Weißbrot und Wurst. Am Wochenende ging es mit Freunden durch die Stadt“, erinnert sich der angehende Ironman, „da wurde dann natürlich auch Alkohol getrunken, waren der Sonntag und oft auch der Montag komplett dahin.“ Zum völligen Abstinenzler wird Lou Schmidt nicht, aber Bier gibt es nicht mehr regelmäßig, sondern nur noch zu besonderen Anlässen. Der Mahlzeitenplan enthält inzwischen Vollkornprodukte, viel Hähnchen, viel Fisch, vorzugsweise Lachs. Ein Rindersteak gibt es ab und an auch – „aber dann nur gute Qualität“. Schweinefleisch? – Komplett verschwunden vom Einkaufszettel.

Es ist ein radikaler Lebenswandel, den der Eintracht-Keeper vollzieht. Mit sichtbaren Folgen. Von 110 Kilogramm geht es runter bis auf 77 Kilogramm. „Aber da habe ich mich nicht mehr wohlgefühlt“, berichtet Lou Schmidt. Seine Mutter nennt ihn „Mobilé“ in Anlehnung an die leichten Windspiele.

Inzwischen hat sich das neue Wohlfühlgewicht bei 80 Kilogramm eingependelt. Aber das soll nicht alles gewesen sein. „Ich habe den Traum, etwas Besonderes zu erreichen“, reift in Lou Schmidt der Gedanke von der Teilnahme an einem Ironman-Wettbewerb. Ironman: das sind 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und ein Marathon (42,195 Kilometer) zum Abschluss. Die Königsdisziplin der Athleten.

Laufen ist inzwischen Lou Schmidts Passion. Aber Schwimmen? – Lou Schmidt ist Autodidakt. Lernt durch youtube-Videos viel über die Technik des Kraulschwimmens im Allgemeinen, zählt im Westfalenbad die Kacheln, wie es im Schwimmerjargon heißt. Seit Anfang vergangenen Jahres ist der Wehringhausener rund 400 Kilometer geschwommen, seit 2020 ca. 3.000 Kilometer gelaufen und hat unzählige Kilometer auf dem Rad und dem Heimtrainer abgerissen.

Ziel ist der Ironman-Wettbewerb in Frankfurt am 2. Juli. Rund 3.200 Teilnehmer werden in der Main-Metropole erwartet. Allein die Meldegebühr schlägt mit 700 Euro zu Buche, hinzu kommen Kosten für Ausrüstung, Ernährung etc. „Es geht darum, es zu schaffen“, sagt Lou Schmidt, der natürlich weiß, was am „längsten Tag des Jahres“ alles passieren kann. „Schon das Schwimmen ist wie eine Massenschlägerei im Wasser“, erklärt Schmidt, „beim Radfahren kann auch viel passieren und der Wechsel auf die Marathon-Strecke ist eine völlig andere muskuläre Belastung.“ Also kein Zeitlimit? – Doch natürlich. „Ein Traum wäre es, unter zehn Stunden zu bleiben“, so Schmidt, "aber wie gesagt: Es kann so viel passieren..."

Rund 20 Stunden pro Woche trainiert Lou Schmidt derzeit für den Ironman. Hinzu kommt das Handball-Training bei der Eintracht. Darauf möchte der Individualsportler nicht verzichten. „Es ist ein Privileg, hier spielen zu dürfen“, sagt der Torhüter der „Vierten“. Für andere Hobbys bleibt da keine Zeit. Hunde interessieren den 24-Jährigen. Aber die Anschaffung eines Vierbeiners, am liebsten eines Rhodesian Ridgebacks, muss warten.

Denn nach dem Ironman ist vor der nächsten Herausforderung. „Meine größte Angst ist, dass nach dem Ironman ein Gefühl der Sättigung eintritt. Dass ich wieder in alte Muster verfalle“, gibt Lou Schmidt zu. Und deshalb nimmt am gedanklichen Horizont ein neues Projekt bereits Formen an. Ein Mehr-Etappen-Lauf von Wehringhausen bis in die tschechische Geburtsstadt seiner Mutter könnte es werden. Stolze 463 Kilometer sind das. Aber das ist eine andere Geschichte…


Die Vorbereitung auf den Ironman ist für Eintracht-Handballer Lou Schmidt als Auszubildender eine teure Angelegenheit. Wer den 24-Jährigen unterstützen möchte, wendet sich bitte per E-Mail an die Eintracht-Geschäftsstelle (geschaeftsstelle@vfl-eintracht-hagen.de).

180,2 Kilometer ist beim Ironman die Radfahrstrecke lang. Ausrüstung und Training verschlingen Geld und Zeit - auch für Lou Schmidt.

180,2 Kilometer ist beim Ironman die Radfahrstrecke lang. Ausrüstung und Training verschlingen Geld und Zeit - auch für Lou Schmidt.

Vorher - nachher: 30 Kilogramm liegen zwischen diesen beiden Fotos von Lou Schmidt.

Vorher - nachher: 30 Kilogramm liegen zwischen diesen beiden Fotos von Lou Schmidt.